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Montag, 10 September 2018 13:18

Markus Jordan | DAS LABOR. Retrofuturistische Visionen | Ausstellung bis 23. Sept.

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markus jordan 348 2Ingolstadt | Der Künstler Markus Jordan stellt aus. Er zeigt dieses Mal nicht spektakuläre Skulpturen aus Eis und Feuer oder schafft fluoreszierende Landschaften aus Licht, Tönen und Magie. Jordans Kunstinstallation ist ein Labor. DAS LABOR. Keines von heute, das wäre weiß und clean, würde wohlweislich verbergen, welche Kräfte dort wirken. Im Labor der „retrofuturistischen Visionen“ des Künstlers und Konstrukteurs Markus Jordan brodelt und zischt es, es dröhnt, pfeift und blitzt. Es ist ein Labor, wie in Filmen und Büchern der Vergangenheit, in denen es um - mehr oder weniger fiktive - Zukunftsvisionen geht: Fritz Langs Metropolis, Mary Shelleys Frankenstein, H.G. Wells, Jules Verne. Jordans Labor ist sinnlich, es macht Spaß auf die Knöpfe und Schalter zu drücken, durch eigene Bewegung oder die Tasten des „Pneumoniums“ erst Töne, dann Licht zu erzeugen, sich von Effekten überraschen zu lassen, dem Witz und Genie des Künstlers zu folgen. Die Ausstellung ist ästhetisch anziehend, sie ist durchdacht inszeniert, spielt mit Licht, Farbe, Strukturen. So mancher erkannte bei der Eröffnung die eigene Leidenschaft für das Sammeln alter Dinge wieder, diskutierte das Ordnungsprinzip der Sammlung oder bewunderte die schönen Funde. Andere rufen in Richtung Jordan, ob er sein Atelier ausgeräumt habe, das es in Ingolstadt zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Denn tatsächlich sammelt und ordnet der Künstler in seinen Atelierräumen in der Flankenbatterie seit gut 15 Jahren Objekte und Bauteile, geht auf Schrottplätze und Recyclinghöfen, archiviert Ausrangiertes, Skurriles und Seltenes. Er experimentiert mit Eigenschaften und Funktionen, erkundet mit alchimistischer Neugier das Wesen und die Möglichkeiten der Dinge, die Gesetzmäßigkeiten von Licht und Energien.

Einführende Gedanken zu Jordans Ausstellung kamen von Günter Beltzig. Der Designer arbeitete in den 1960er Jahren auch mit Luigi Colani, der wiederum als einer der bedeutenden Zukunftsdesigner gilt und im Zusammenhang mit (Retro-)Futurismus im Kunst und Design eine feste Größe ist. Beltzig betonte in seiner Einführung den Autodidakten Markus Jordan, der als Künstler eben nicht „Meisterschüler“, also Schüler eines Meisters gewesen, um erst einmal dessen Ideen zu verstehen und recyceln bevor er eigene Ideen umsetzen würde. Jordan folge eigenen Ideen und recycle dabei Objekte und Materialien. Er schöpfe aus ihnen etwas Neues, noch nicht vorgedachtes.

Objéts trouve | Von der Ordnung der Dinge

Die Kunstausstellung DAS LABOR ist die Inszenierung dieser „objets trouvé“. Es ist, als würde der Frankenstein der Dinge – Jordan über Jordan - aus seinem Spieltrieb schöpfen, um unseren Spieltrieb anzusprechen und um uns so zu erreichen. Denn das Labor hat auch eine unheimliche Botschaft: es geht um Ordnung, der Dinge und der Gesellschaft, und um diejenigen, die darin eingreifen, sie neu denken und verändern. Es geht um den Gestaltungsdrang des Menschen, Entgrenzung und Fortschrittsgläubigkeit. In den literarischen Zukunftsvisionen und Filmen, auf die Jordan vielfach anspielt, sind neben den spannenden Zeitmaschinen und künstlichen Menschen daher oft auch autoritäre Gesellschaften, Herrschaft und Freiheit angesprochen. Und in der Auseinandersetzung mit Jordans Objektkunst schwingt mit, dass es einen bedeutenden Unterschied von Wissenschaft und Kunst gibt, und dass es wieder die Aufgabe von Kunst sein könnte, Chaos in die Ordnung zu bringen.

Im retrofuturistischen Labor wird die Montage von Teilen aus dem Metallbau zu einer Skulptur die vielleicht zeigt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Doch was sehen wir? Den harmlosen mikroskopischen Blick auf die Struktur von Schafwolle oder doch die totale genetische Veränderung der DNS, die Auflösung der Doppelhelix? Geht der menschliche Zugriff so weit, selbst das Unmögliche zu schaffen und das sprichwörtliche Pferd kotzen zu sehen, wie ein anderes Objekt nahelegt. Oder will Jordan nur (dass wir) spielen? Über allem und als Höchstes thront der leuchtende Stuhl des „Maschinenmenschen“ in Anlehnung an Fritz Langs Metropolis – die Erschaffung des künstlichen Menschen. Jordan zieht uns mit seiner Kunstinstallation in eine andere Zeit, lässt die romantisierende Ästhetik des Steampunk wirken und betont so die Aktualität seiner retrofuturistischen Zukunftsforschung, denn so Manches wurde ja längst wahr: Gentechnik, Klonen, künstliche Intelligenz, Robotik und Maschinenmenschen. Fragen, die seit Jahrhunderten brennend gestellt werden und die uns heute mit der digitalen Revolution erneut umtreiben: Wer schafft, wer beherrscht, wer ordnet die globalisierte, digitale Zukunft? Dazu Markus Jordans retrofuturistische Visionen.


markus jordan 348 3Markus Jordan, 43, arbeitet seit 1996 künstlerisch und setzte sich vor allem mit den Aspekten des Lichts auseinander. Jordan ist gelernter Schilder- und Lichtreklamenhersteller, seit 2002 als freischaffender Künstler tätig und seit 2013 auch am Stadttheater engagiert.

Überregional bekannt sind seine Installationen und Performances, die Skulpturen aus Eis und Feuer, die Licht- und Videokunstbeiträge für Projekte und Festivals - Lichtstromfestival 2014, „occupied“ in der Stargader Straße, Kunstvollzug 2018. Illuminationen wie die Fahrt ins Blaue mit Beleuchtung des Rathauses, der „Lichthauch“ am Kavalier Dalwigk zum Futurologischen Kongress 2018.

Markus Jordan ist Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler, Mitglied der Glow Connection, Erfinder des Pneumoniums und Mitgründer der Kunst und Kultur Werkstatt KAP94.

Markus Jordan
"Das Labor. Retrofuturistische Visionen"
Bis 23. September, Städtische Galerie des Stadttheaters Ingolstadt
Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr.

 

Klangperformance von Jürgen Schulze | Anlässlich der Ausstellungseröffnung am 19. September.
Drei Metallplatten, ein Mikrophon und der Rückkopplungseffekt. Mit seinem Klangbeitrag zur Eröffnung der Ausstellung DAS LABOR zeigt Jürgen Schulze weitere Aspekte experimenteller Kunst. Schulze arbeitet freischaffend als Künstler, Performer, Illustrator sowie Designer für Upcycling-Produkte und Inhaber des Labels QR-BOMB®. Schulze hat Architektur studiert, ist Mitglied des Berufsverbandes Bildender Künstler - BBK Ingolstadt, konzipiert und führt kulturelle Bildungsprojekte durch (u.a. bei Künstler an die Schulen e.V.) und ist Mitbegründer der Theaterformation „zwischenraum“.

Der Beitrag erscheint gedruckt bei in CITICON - Das Trendmagazin - Sept. 2018 | Die Ordnung der Dinge. Markus Jordan - Retrofuturistische Visionen.

 

 

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