Freitag, 02 März 2018 12:34

Wie kommt das Neue in die Welt? Camill Leberer, Frank Rimili, Etienne Giuga bei Audi ArtExperience

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NeueWelt 348Die Welt verändert sich rasant und ruft permanent nach Innovationen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird dabei immer wieder als „Innovationstreiber“ bezeichnet. Doch stimmt das auch, beflügelt ein starker Kreativsektor die Wirtschaft? Und vor allem, wie kommt das Neue in die Welt? Wie kann sich ein kreativer Kopf oder künstlerischer Freigeist gegen wirtschaftlichen Wettbewerbsdruck oder den medialen Überfluss durchsetzen? Inmitten der Ausstellung „Glanzstücke“ im Audi museum mobile in Ingolstadt haben sich der Künstler Camill Leberer und die AUDI Exterieur Designer Frank Rimili und Etienne Giuga darüber ausgetauscht. Simone Schimpf, Museumsleiterin und Vorständin der Stiftung konkrete Kunst, führte durch die Diskussion, klärte die Begriffe und forderte heraus.

Das Neue, das Fremde, das Frische. Was ist neu, was ist innovativ? Künstlerisch gesehen gebe es eine keine wirklich neuen Themen mehr, sondern nur eine begrenzte Zahl von Themen und immer wieder einen neuen Umgang damit. Es brauche sehr lange Zeit, bis sich tatsächlich etwas Neues entwickle, denn das Neue sei eben nicht nur das Andere oder einfach nur anders als das Vorherige. „Es ist nicht so, dass das Neue wie eine göttliche Eingebung plötzlich auftaucht“ wies Camill Leberer nach. Es entstehe immer durch Auseinandersetzung, es schöpfe sich aus dem Anderen und verändere es. In der Kunst zeige es sich auch als das Fremde. Wenn heute die Impressionisten massenhaft in den Museen besucht werden, waren sie zu ihrer Entstehungszeit ein Bruch, ungewohnt und fremd. Neu.

„Das Neue ist für uns etwas Alltägliches, eine ständige Frage in unserer Arbeit“, erklärt Frank Rimili. Einem Designer werde eine Aufgabe gestellt, etwa „Mache den A4-Nachfolger.“ Dann arbeiten zehn und mehr Designern über eine lange Zeit, meist einige Jahre, daran. Doch schon bei den ersten Entwürfen komme die ganz entscheidende Frage „Ist das neu?“ oder besser noch ausgedrückt: „Ist das frisch?“.

Kreativ oder schöpferisch. Wer nun dachte, Kreativität sei das Verbindende für Künstler und Designer, wurde erstmal überrascht. „Seid ihr kreativ?“ forderte Simone Schimpf den Künstler geradezu heraus. Kreativ sei doch heutzutage jeder, spitzte Camill Leberer zu, es gebe inzwischen Kreativ-Bäcker, Kreativ-Friseure … Der Begriff sei von der Wirtschaft abgenutzt und passe für ihn als Künstler nicht mehr. Kreativität sei die Norm und daher der Gegensatz zum Künstlerischen, das er als etwas Schöpferisches begreife. Würde ein Künstler also schöpferisch an die Entwicklung einer Aufo-Form gehen, könne es sein, dass es nicht fährt. Für Rimili und Giuga hingegen ist Kreativität ein Begriff, mit dem sie ständig arbeiten. Kreativität kann man wohl nicht lernen, meinte Giuga, man lerne nur, die eigene Kreativität immer besser zu nutzen und gezielt einzusetzen. Seine kreative Arbeit beginne immer auf dem Papier, mit dem Zeichnen. Dem Skizzieren folgt das Scribblen, Doodlen, 3-D-Rendering und schließlich ein Modell 1:1 in Ton. Ein zielorientierter kreativer Prozess. Frank Rimili stellt als Leiter der AUDI-Design-Abteilung Studio 3 sein Team aus Bewerbern aus der ganzen Welt zusammen und dabei ist natürlich die wichtigste Frage: Ist der Bewerber kreativ? Dazu gehöre, dass die Designer sich flexibel und wandelbar zeigten, viele verschiedene Formensprachen beherrschten. Für Rimili auch wichtig ist, so etwas zu erkennen wie Frische und eine „unvoreingenomme Neugier“.

Mythen. Unvoreingenommenheit bitte nicht gleichsetzen mit Unwissenheit knüpfte Camill Leberer hier an. Es gebe das Klischee, Kreativität entstehe am besten aus unschuldiger Ahnungslosigkeit. Doch wirklich neue Dinge entstünden nur in der gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Auseinandersetzung und einem Wissen über Zusammenhänge. „Wir müssen aufräumen mit den falschen Mythen über schöpferisches Arbeiten durch göttliche Eingebung oder allein im stillen Kämmerlein“, schärfte Leberer ein.

„Uns geht’s genauso! Wir hassen es, wenn wir immer wieder so etwas lesen wie: der Designer hat auf seiner Yacht mal eben auf der der Papierserviette den neuen A4 entworfen.“ räumte auch Frank Rimili mit einem Kreativitäts-Mythos auf. Nichts entstehe mal eben so. Das Design für einen neuen AUDI sei harte Arbeit und knallharter interner Wettbewerb. Zu Beginn des Prozesses stünden viele Designer im Rennen, am Ende fällt die Entscheidung dann auf einen einzigen. Die Auseinandersetzung fände eher konkret mit der spezifischen Geschichte eines Modells statt. Oder wenn man es gesellschaftlich verstehen möchte, dann wenn Städte andere Anforderungen an Fahrzeuge stellen würden – das könne Größe sein oder dass die Zielgruppe sich ändere, lieber Ressourcen schone statt Status zu zeigen. Neben solchen und vor allem technischen Vorgaben bekämen die Designer auch gestalterische Leitplanken - wie sportlich, wie dynamisch, wieviel Avantgarde soll drin sein.

„Vollkommen andere Welt..!“, reagierte Leberer, darum sehe er sich eben nicht als kreativ, sondern ausdrücklich als schöpferisch. Antrieb für seine künstlerische Auseinandersetzung sei gerade nicht der Zweck, sondern eine eine - oft lebenslange und durchaus auch subjektive - Problemstellung. Man brauche Sturheit, um sich eben nicht von außen beeinflußen zu lassen. Dann müsse er aber auch wieder offen werden, um auf Distanz und in den Austausch gehen zu können. Hierfür braucht es nutzlosen, freien Raum und auch so etwas wie Langeweile. Frank Rimili nickt - weniger Druck wäre manchmal schön, um unkonventionellen Ideen mehr Raum geben können. Doch Langeweile? Unvorstellbar, dafür sei alles zeitlich zu scharf getaktet. Doch das seien eben die Bedingungen in der Wirtschaft und damit arbeiteten gerade die Designer bei AUDI nachgewiesen sehr erfolgreich.

Geschichten und Glaubwürdigkeit. „Im Design muss die Geschichte erkennbar sein, die des Vorläufer-Modells, der Entwicklung des Designs. Wir fragen uns immer wieder, ob dies in den Entwürfen erkennbar ist. “ hatte Frank Rimili aus dem Entwicklungsprozess berichtet. „Wir laden über das Design die Produkte mit Geschichte auf.“ Es sei sogar so, dass die Konsumenten bei einem Modell „gespürt“ hatten, dass die Entwicklung sehr zäh gewesen sei, die geschichte mühsam gefunden wurde -  und entsprechend zäh sei die Resonanz auf diesen Audi gewesen. Mit dem Design wird also auch die Glaubwürdigkeit des Produktes transportiert. Emotionen sowieso - schließlich soll der Kunde sich schnell emotional entscheiden können, veile Geld für genau dieses Modell ausgeben zu wollen.

„Welche Geschichte erzählt denn ein Künstler?“ wollte Simone Schimpf von Camill Leberer wissen. Der meinte schließlich, es würde wohl vor allem der Künstler selbst inszeniert, er erzähle seine Geschichte und erfinde sich dabei auch selbst.  Die Themen zeigen die, oftmals auch sehr subjektiven, Problemstellungen die den Künstler beschäftigen, reflektierte Leberer. Und an der Glaubwürdigkeit, daran arbeite man ein Leben lang, dafür stehe der Künstler und sein Werk mit der ganzen Person ein. Hat er die einmal verloren, gibt es also, anders als für Deisgner, kein „Nachfolgemodell“ mit dem erschütterte Glaubwürdigkeit schnell wieder zurückgewonnen werden kann.

Kann Design Neues bringen? Künstler wie Camill Leberer, das wurde deutlich, vertiefen sich solange in eine Thematik, bis es schöpferisch wird. Kreativ, darauf bestand Leberer, sei etwas anderes als schöpferisch. Doch wie ist das mit dem Design, entsteht hier Neues, mit jedem neuen Modell? Rimili bringt ein Beispiel für eine echte Innovation, die er seither allerdings "selbst so nicht mehr erlebt habe": der Citroen DS. Völlig neuer Umgang mit Volumina, der damals nicht in die kastige automobile Welt passte. Es sei ein totaler Bruch gewesen und weit nach vorne in die Zukunft gedacht. Und, so Rimili, es sei tatsächlich ein Künstler gewesen, der für Citroen diese völlig neue Formensprache gefunden habe.

Kunst ist Kunst, alles andere ist alles andere, hatte der Camill Leberer in der Diskussion die Kunst vom Design und auch von der Kreativwirtschaft abgegrenzt. Doch der Austausch, das hat sich gezeigt, ist spannend, fruchtbar und sinnvoll. Und es wird weiter gehen, versprach Simone Schimpf, denn dieser Abend war eine Premiere, etwas Neues.      Petra Kleine

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Camill Leberer, Bildhauer, Maler und Fotograf, lebt in Stuttgart. Seit 2009 ist er auch Stiftungskünstler der Stiftung Konkrete Kunst. Leberer hat für die aktuelle Ausstellung Glanzstücke im Museum Mobile erstmals mit den Material Aluminium gearbeitet. Seine Entwürfe „Räumliche Faltung 1 und 2“ wurden mit Auszubildenden des AUDI Karosserie-Baus umgesetzt. Die Kunstwerke Leberers sind Teil der Ausstellung „Glanz der Technik – Die Faszination des Werkstoffs Aluminium“ die eine Verknüpfung des automobilen Leichtbaus mit dem Material Aluminium zeigt. Noch bis 4. März 2018.

Leberer hatte auch in der Ausbildungswerkstatt über den Wert der Langeweile gesprochen. Wir haben eine Auszubildende gefragt (Foto), was sie denn davon halte, wie das bei ihr angekommen sei. Und tatsächlich berichtete sie, dass sie zuhause (nicht in der Arbeit) ganz bewusst Momente der Langeweile schaffe. „Ich setze mich einfach hin, und tue nichts“.

Etienne Giuga, ist als AUDI Exterieur Designer unter anderem an der Entwicklung von Fahrzeugmodellen wie dem Audi A3 e-tron beteiligt. Der Zukunftsvisionär ist einer der innovativsten Köpfe in seinem Team, so Rimili. Seine Zukunftsvision hat Giuga aktuell auf der Berlinale 2018, beim Audi Panel „Autoindustrie trifft Filmwelt“ vorgestellt (Foto, Links).

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Frank Rimili, ist seit 1995 Exterieur-Designer im Unternehmen AUDI und hat kürzlich den neuen Audi A7 vorgestellt. Als Leiter des Studio 3 des Audi Design Exterieur gestaltet und verantwortet er den internen Wettbewerb der Ideen bis zum letztlichen Erfolg eines neuen Modell-Designs. Rimili war für AUDI auch schon in Hollywood, etwa zur Premiere des Science-Fiction-Films Ender’s Game mit Harrison Ford. Dafür war ein spezieller Science-Fiction AUDI virtuell designt worden (Foto, rechts)

Dr. Simone Schimpf ist Vorständin der Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt, Leiterin des Museums Konkrete Kunst und Expertin für Zeitgenössische und Konkrete Kunst.

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Eingeladen hatte zu dem Abend Audi ArtExperience, vertreten durch Inge Wolf-Frör gemeinsam mit der Stiftung Konkrete Kunst und dem AUDI Museum Mobile.

Fotos: (c) Petra Kleine
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© VG Bild-Kunst, Bonn 2017
© Camill Leberer
© AUDI AG

 

 

 

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